Linux everywhere? Diesen Eindruck kann man gewinnen, wenn man sich die aktuelle Nachrichtenlage näher betrachtet. Zur Zeit erscheint es mir, als würden sich die Nachrichten mit Linux-Schwerpunkt geradezu überschlagen. Im Börsenteil der FTD lese ich heute, dass am gestrigen Handelstag der Aktienkurs von Texas Instruments davon profitiert hat, weil sich dieses Unternehmen für das freie Betriebssystem engagiert. Linux ist damit ein weiteres man ein positiver Faktor für den Börsenwert eines Unternehmens geworden.
Mittlerweile gibt es so viele verschiedene Varianten von Linux und so viele Beteiligte, die sich aus den unterschiedlichsten Beweggründen für Linux engagieren, dass ich mal versuchen will, ein bisschen Licht in dieses Dickicht zu bringen.
Die Varianten
Server und Desktop
Fangen wir mit den klassischen Server- und Desktopbetriebssystemen an. Lange Zeit waren hier vor allem Redhat Linux und Novell SUSE führend, bis sie dann in den letzten Jahren von Ubuntu überflügelt wurden. Sowohl Redhat als auch Novell verfolgen den Ansatz, ein Betriebssystem für den Unternehmenseinsatz anzubieten, das auf einer Community-Variante basiert. Bei Redhat ist dies fedora, bei Novell ist es openSUSE. Gerade in Deutschland genießt SuSE ein hohes Ansehen und darf mit Recht als einer der größten Förderer des freien Betriebssystems bezeichnet werden. Und bei Redhat erinnern wir uns noch sehr genau, wie deren Börsengang die Phantasie der Anleger beflügelt hat.
Das auf Debian basierende Ubuntu konnte seit seinem ersten Erscheinen große Erfolge feiern. Seit einigen Jahren befindet sich die Distribution auf distrowatch auf dem ersten Platz. Canonical, das Unternehmen hinter Ubuntu, hat einen großen Beitrag zur Verbreitung von Linux auf dem Desktop gespielt. Die Gründe für den Erfolg von Ubuntu sind vielfältig, zum einen ist es die klare Fokussierung auf das Wesentliche, zum anderen der verlässliche Releasezyklus.
Netbooks und Tablets
Als vor wenigen Jahren die ersten Netbooks auf dem Markt erschienen, waren diese überwiegend mit Linux bestückt. Dies hatte hauptsächlich Kostengründe, da Netbooks vor allem billig sein sollten. Als ein Pionier auf diesem Gebiet muss Asus mit seiner eee-PC Reihe gelten. Damals wurden diese Geräte mit Xandros Linux ausgeliefert. Acer, mit seinen Aspire One Geräten setzte auf Linpus. Beides, sowohl Xandros als auch Linpus, sind spezielle Linux Distributionen, deren Fokus auf Branding für den OEM liegt.
Dass diese Geräteklasse so erfolgreich werden würde, hatte damals wohl niemand erwartet, am wenigsten vermutlich Microsoft, die damals gerade ihr neues Betriebssystem Windows Vista vermarkten wollten. Vista war jedoch für die kleinen Mobilrechner vollkommen ungeeignet, da das Betriebssystem zu ressourcenhungrig war. Vom Erfolg der Netbooks überrascht, sah sich Microsoft sogar dazu gezwungen ihr veraltetes Betriebssystem Windows XP für Netbooks zu reaktivieren. Mit diesem Schachzug gelang es Microsoft dann letztlich auch wieder, den Marktanteil von Windows auf dieser neuen Geräteklasse wieder zu stablisieren.
In der Folge sprangen alle namhaften PC-Hersteller auf den Netbook-Zug auf und brachten Geräte heraus. Heute wird auf neuen Netbooks überwiegend Windows 7 vorinstalliert. Aber dennoch scheint der Kampf der Betriebssysteme für Netbooks noch nicht entschieden zu sein. Der weiterhin anhaltende Kostendruck lässt die Hersteller über Alternativen nachdenken.
Die Angebote aus dem Linuxlager sind auch sehr vielversprechend. Im folgenden will ich kurz die verschiedenen Netbook-Varianten vorstellen.
Ubuntu Netbook Remix
Canonical hat erkannt, dass man nicht einfach ein Desktop-Betriebssystem auf einem Netbook installieren sollte. Netbooks zeichnen sich vor allem durch einen kleinen Bildschirm, wenig Hauptspeicher und geringem Plattenplatz aus (meist SSD). Daher ist es angebracht eine optimierte Oberfläche für die Netbooks zu verwenden. Mit Ubuntu Netbook Remix ist dies sehr gut gelungen. Bis zum heutigen Tag dürfte UNR die beste Variante für Netbooks sein.
Android
Eigentlich ein Betriebssystem für Mobiltelefone, würde sich Android, das von der Open Handset Alliance entwickelt wird, durchaus auch für Netbooks eignen. Bislang gibt es aber noch keinen namhaften Hersteller, der dies ernsthaft versucht hätte. Für die „Schwester-Geräteklasse“ der Tablet-Computer dürfte sich jedoch das für Touchscreens optimierte Android als ideal erweisen. Auf der Computex wurden auch bereits etliche Android basierende Tablets gezeigt. Lenovo hat nun angekündigt auf die Weiterentwicklung ihres eigenen Betriebssystems SkylightOS, das ebenfalls auf Linux basiert, zu verzichten, und stattdessen Android zu verwenden.
MeeGo
Der Marktführer bei Computer-Chips, Intel, und der Marktführer bei Mobiltelefonen, Nokia, haben sich zusammengeschlossen, um unter dem Dach der Linux-Foundation die Linux-Variante MeeGo zu entwickeln. Dabei handelt es sich um eine Kombination von Intels Moblin und Nokias Maemo. Moblin zeichnete sich – ähnlich wie Ubuntu Netbook Remix – dadurch aus, dass es auf die Anforderungen von Netbooks optimiert wurde. Die Oberfläche ist eine Schaltzentrale für einen Social-Desktop und vereint verschiedene Web-Services. Maemo wiederum ist auf Smartphones spezialisiert und steuert zum MeeGo Projekt hauptsächlich die Qt-Bibliothek bei. Bereits jetzt zeichnet sich eine breite Unterstützung für das MeeGo-Projekt ab. Sowohl Acer als auch Asus haben bereits Netbooks mit MeeGo für Ende dieses Jahres angekündigt. Desweiteren hat Novell angekündigt, eine SuSE MeeGo Distribution anzubieten.
WebOS
Von einem der Pioniere für mobile Geräte, Palm, stammt WebOS. Nach der Übernahme von Palm gehört WebOS nun zu Hewlett Packard. Laut HP war einer der Hauptgründe, Palm zu übernehmen, gerade ihr innovatives Betriebssystem für mobile Geräte. Kurz nach der Übernahme hat HP auch angekündigt, das von Steve Balmer auf der CES vorgestellte Tablet Slate, statt mit Windows 7 mit WebOS auszustatten. Es ist auch davon auszugehen, dass das Engagement von HP im Markt für Mobiltelefone zunehmen wird. Wie erfolgreich HP mit WebOS sein wird, wird sich zeigen. Es dürfte jedoch recht schwierig werden, da HP – im Gegensatz zur Konkurrenz von Android und MeeGo – keine Allierten hat und WebOS keine Open Source ist (nur der Linux-Kernel ist GPL).
ChromeOS
Vor gut einem Jahr hat Google angekündigt ein Betriebssystem für Netbooks entwickeln zu wollen, das in der zweiten Jahreshälfte 2010 veröffentlicht werden soll. Ziel des Google Betriebssystems ist die optimale Unterstützung von Web-Anwendungen. Bei ChromeOS handelt es sich im Kern um den Browser Chrome und dem Kernel Linux. Der Trend zu Cloud-Computing und Web-Anwendungen soll mit ChromeOS weiter unterstützt werden. Wie sich ChromeOS im Vergleich zu Android, das ja ebenfalls maßgeblich von Google entwickelt wird, behaupten können wird, muss die Zukunft zeigen.
Die Beteiligten
In den letzten Jahren hat die Linux-Community viel Zulauf von Firmen bekommen. Zunächst sind da die reinen Linux-Unternehmen zu nennen: Redhat, Novell, Canonical und andere, die mit Dienstleistungen rund um das freie Betriebssystem ihr Geld verdienen.
Vermehrt wenden sich jedoch auch reine Hardwarehersteller Linux zu. Vor allem Intel engagiert sich sehr stark für den Kernel. Aber auch Nokia, IBM, Hewlett Packard, Dell, Lenovo, ARM, AMD und weitere haben ein enormes Interesse daran, dass Linux blüht und gedeiht. Erst gestern wurde mit Linaro ein neues Konsortium von Chipherstellern gegründet, das die Entwicklung von Software mit ARM-Prozessoren beschleunigen soll.
Aber nicht nur Hardware-Hersteller sind an der Entwicklung von Linux beteiligt oder an ihr interessiert. Eine schöne Übersicht der namhaften Unternehmen, die die Linux-Foundation bilden, findet sich auf der Mitglieder Seite der Stiftung.
Die Motivation
Die Gründe für ein Linux-Engagement und die Auswahl von linuxbasierten Systemen sind sehr vielfältig. Aber für mich erscheint es klar, dass der größte Vorteil von Linux in der schnellen, kooperativen Entwicklung liegt. Moderne Computersysteme werden immer komplexer und nur durch eine gemeinsame Entwicklungsanstrengungen können die Anforderungen kostengünstig gemeistert werden. Die Zeiten, in denen kommerzielle Betriebssysteme noch erfolgreich sein konnten, scheinen sich dem Ende zu zu neigen. Für ein Unternehmen, sei es noch so groß, ist es schlicht nicht mehr möglich, die Vielfalt unterschiedlichster Geräte zu unterstützen.
Die Hersteller von Soft- und Hardware werden sich zunehmend durch Dienstleistungen und Anpassungen von der Konkurrenz differenzieren. Android ist hierfür ein sehr schönes Beispiel. Obwohl alle führenden Hersteller von Mobiltelefonen bereits Android Geräte im Angebot haben, unterscheiden sich die Funktionen der Geräte doch zum Teil erheblich. Aber allen ist gemein, dass Android Apps auf ihnen lauffähig sind. So profitiert jeder Hersteller von der Plattform, ohne jedoch eingeschränkt zu sein. Mit einem Betriebssystem eines Herstellers, sei es nun Google oder Microsoft, ist diese Vielfalt und Differenzierung nicht möglich.
Mit Windows Phone 7 zeigt Microsoft sehr deutlich, wie man in diesem Markt scheitern wird. Durch utopische Anforderungen und Einschränkungen, so wie Apple das auf dem iPhone vormacht, wird man als General Purpose OS Anbieter nicht weiterkommen, denn die Hersteller könnten sich nur noch über den Preis differenzieren. Und hier setzen die Hersteller bereits an: Sie sparen sich die Lizenzkosten für das Betriebssystem.
Wer fehlt?
Es fehlen eigentlich nur zwei Big Player: Microsoft und Apple. Wobei Apple sich im BSD Umfeld bedient, aber ansonsten kein all zu großes Open Source Engagement zeigt. Wenn diese beiden nicht erkennen, dass sie mit ihrer Politik den falschen Weg eingeschlagen haben, dann werden sie über kurz oder lang in der Bedeutungslosigkeit verschwinden. Noch mögen deren Sterne hell leuchten, aber es ist bereits zu erkennen, dass sie verglühen werden.
Folgen für die Anwender
Für die Anwender bedeutet dies alles Freiheit und Vielfalt. Auch auf dem Desktop dürfte sich das positiv bemerkbar machen. Nicht nur, dass es wahrscheinlicher wird, dass die Hardware-Hersteller Linux besser mit Treibern unterstützen, sondern auch, dass die Zahl an Linux-Anwendungen steigen wird.
Eines jedenfalls scheint mir sicher: Der Linux-Siegeszug ist nicht mehr aufzuhalten!